Das müssen, glaube ich, andere beantworten, ob man in irgendetwas ein Vorreiter ist. Ich hatte das Glück, sowohl vom Baujahr her als auch durch den frühzeitigen Kontakt zu älteren Pionieren der zweiten
Hip Hop-Generation in Deutschland groß zu werden und direkt mitwirken zu können. Dementsprechend
ist die Pionierarbeit, die ich geleistet habe, zum einen in den 90ern, als wir mit unserer Band Anarchist Academy eines der ersten deutschsprachigen Hip Hop-Alben veröffentlicht haben. Ich bin definitiv in Deutschland, aber ich würde sogar fast sagen, weltweit – ob das heute eine Rolle spielt, sei mal
dahingestellt, aber vielleicht in 100 Jahren – bin ich wahrscheinlich der erste persischsprachige Rapper,
der auf einer solchen Veröffentlichung zu hören war, da ich auf unserem ersten Album einen persischen
Part gerappt habe.
Der zweite Teil, in dem ich den meisten Menschen eher bekannt bin – ich habe quasi zwei Hip Hop-Leben – ist durch meinen Laden Dedicated, den es jetzt schon über 20 Jahre gibt. Ich habe definitiv in Köln für die Graffiti-Szene einiges an Pionierarbeit geleistet, sei es durch die Gründung des zweiten Kölner Graffiti-Magazins „No Guts No Glory“, die Gründung des „Graffiti Magazine“, das einen sehr starken Einfluss auf die Graffiti-Szene hatte, oder die Mitgründung des „Neongrau Magazin“. Zudem gab es zahlreiche lokale Aktivitäten in und um meinen Laden, die zur Stabilisierung und zum Aufbau der Szene beigetragen haben. Dieser Einfluss rührt daher, dass der Laden nicht nur ein Ort war, an dem man Spraydosen kaufen konnte, sondern von Anfang an ein „Hangout“, ein Platz für Austausch und Veranstaltungen. Dadurch, dass ich oft einen Tick älter war als viele andere, konnten sich die Leute mir gut anvertrauen.
Das sind also die zwei Bereiche: Zum einen die 90er-Jahre-Polit-Musikgeschichte, in der wir mit Anarchist Academy eine der ersten Gruppen waren, die im Hardcore-Punk-Kontext aktiv waren, obwohl wir eigentlich nichts mit dieser Szene zu tun hatten, auch wenn das viele dachten. Wir kamen zu 100 % aus dem Hip Hop-Kontext, und ich denke, keine andere Gruppe aus diesem Genre hat seitdem so viel im linken Spektrum gemacht und bewirkt. Heute gibt es den Begriff „Zeckenrap“, und wir werden von den aktuellen „Zeckenrappern“ – Gruppen, die sich so nennen – als „Väter des Zeckenraps“ bezeichnet.
Oder ob es damals unsere Coverversion von Franz Josef Degenhardt war, die diesen Bereich abgedeckt hat. Wenn man in der Geschichte gräbt, wird man auf jeden Fall Dinge finden, die in diese „Pioniers-Schublade“ passen. Ich finde es jedoch schwierig, mir selbst auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: „Ja, ich bin voll der Pionier – ich habe wichtige Arbeit geleistet“ (lacht). Ob es wirklich wichtig war, wird vielleicht irgendwann mal ein Hip Hop-Historiker herausfinden, obwohl das auch Quatsch ist, weil (Hip Hop)-Geschichtsschreibung nie objektiv ist, sondern von den Leuten, die sie verfassen, geprägt wird. Was aber auch total verständlich ist: Menschen schreiben Geschichte immer subjektiv, gemäß ihrer Vorlieben und abhängig davon, aus welchen Quellen sie sich bedienen und welche Geschichten sie hören – oder eben auch nicht hören.