das Archiv – interview babakone

"Ich kann das nur machen, weil das mein Laden ist und ich täglich die Kultur hier lebe, weil ich die Musik höre, die ich liebe, Klamotten anziehe, die ich liebe, rede, wie ich 's liebe. 24/7 Hip Hop eben."

> babakone

> Was ist Dein persönlicher Beitrag zur Hip Hop Kultur? Worin bist Du ein Vorreiter?

Das müssen, glaube ich, andere beantworten, ob man in irgendetwas ein Vorreiter ist. Ich hatte das Glück, sowohl vom Baujahr her als auch durch den frühzeitigen Kontakt zu älteren Pionieren der zweiten
Hip Hop-Generation in Deutschland groß zu werden und direkt mitwirken zu können. Dementsprechend
ist die Pionierarbeit, die ich geleistet habe, zum einen in den 90ern, als wir mit unserer Band Anarchist Academy eines der ersten deutschsprachigen Hip Hop-Alben veröffentlicht haben. Ich bin definitiv in Deutschland, aber ich würde sogar fast sagen, weltweit – ob das heute eine Rolle spielt, sei mal
dahingestellt, aber vielleicht in 100 Jahren – bin ich wahrscheinlich der erste persischsprachige Rapper,
der auf einer solchen Veröffentlichung zu hören war, da ich auf unserem ersten Album einen persischen
Part gerappt habe.
 
Der zweite Teil, in dem ich den meisten Menschen eher bekannt bin – ich habe quasi zwei Hip Hop-Leben – ist durch meinen Laden Dedicated, den es jetzt schon über 20 Jahre gibt. Ich habe definitiv in Köln für die Graffiti-Szene einiges an Pionierarbeit geleistet, sei es durch die Gründung des zweiten Kölner Graffiti-Magazins „No Guts No Glory“, die Gründung des „Graffiti Magazine“, das einen sehr starken Einfluss auf die Graffiti-Szene hatte, oder die Mitgründung des „Neongrau Magazin“. Zudem gab es zahlreiche lokale Aktivitäten in und um meinen Laden, die zur Stabilisierung und zum Aufbau der Szene beigetragen haben. Dieser Einfluss rührt daher, dass der Laden nicht nur ein Ort war, an dem man Spraydosen kaufen konnte, sondern von Anfang an ein „Hangout“, ein Platz für Austausch und Veranstaltungen. Dadurch, dass ich oft einen Tick älter war als viele andere, konnten sich die Leute mir gut anvertrauen.
Das sind also die zwei Bereiche: Zum einen die 90er-Jahre-Polit-Musikgeschichte, in der wir mit Anarchist Academy eine der ersten Gruppen waren, die im Hardcore-Punk-Kontext aktiv waren, obwohl wir eigentlich nichts mit dieser Szene zu tun hatten, auch wenn das viele dachten. Wir kamen zu 100 % aus dem Hip Hop-Kontext, und ich denke, keine andere Gruppe aus diesem Genre hat seitdem so viel im linken Spektrum gemacht und bewirkt. Heute gibt es den Begriff „Zeckenrap“, und wir werden von den aktuellen „Zeckenrappern“ – Gruppen, die sich so nennen – als „Väter des Zeckenraps“ bezeichnet.
 
Oder ob es damals unsere Coverversion von Franz Josef Degenhardt war, die diesen Bereich abgedeckt hat. Wenn man in der Geschichte gräbt, wird man auf jeden Fall Dinge finden, die in diese „Pioniers-Schublade“ passen. Ich finde es jedoch schwierig, mir selbst auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: „Ja, ich bin voll der Pionier – ich habe wichtige Arbeit geleistet“ (lacht). Ob es wirklich wichtig war, wird vielleicht irgendwann mal ein Hip Hop-Historiker herausfinden, obwohl das auch Quatsch ist, weil (Hip Hop)-Geschichtsschreibung nie objektiv ist, sondern von den Leuten, die sie verfassen, geprägt wird. Was aber auch total verständlich ist: Menschen schreiben Geschichte immer subjektiv, gemäß ihrer Vorlieben und abhängig davon, aus welchen Quellen sie sich bedienen und welche Geschichten sie hören – oder eben auch nicht hören.

> Um nochmal auf das von dir angesprochene erste Album zurückzukommen: Ihr hattet bereits 1993 mehrsprachige Texte auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Persisch, was es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab...

...wir gehören zu den ersten, die einen Beatbox-Track gemacht haben, der ebenfalls auf der Platte veröffentlicht wurde und später auf CD und Vinyl erschien...

> ...zudem gehört ihr zu den ersten, die diesen multikulturellen Aspekt in eurer Musik mit einem starken links-politischen Einfluss kombiniert haben...

...da ist auch der erste Kiffer-Song mit drauf – so albern sich das anhören mag, aber „Rudolf Rasta“ ist, glaube ich, der erste Deutschrap-Kiffer-Song. „Ein Lied für die Liebe“ ist der erste „Liebes-Rap“, „Knall sie ab“ ist ein Anti-Nazi-Song, und „Fick die Polizei“ ist auf jeden Fall ein richtiger „Fick die Polizei“-Track – wir haben echt einmal alles abgedeckt (lacht).

"wir wollten
eigentlich nur,
dass das Ding endlich rauskommt, egal über welches Label." 

> Ihr seid dann aber auch, weil es aufgrund eurer Texte einen Zuspruch aus der politisch linken Ecke gab, absichtlich in diese Richtung...

Absicht war das überhaupt nicht! Wir haben einfach unser Ding gemacht. Im Sommer 1992 haben Hannes und Bomber im Studio das Demo-Tape fertiggestellt – zu der Zeit gab es mit den beiden die Gruppe „Anarchist Academy“ und zusätzlich noch die „Double A Posse“, bei der ich mit ein paar anderen Leuten sowie unseren Musikern dabei war. Zu dieser Zeit war gerade Ice-T mit Hijack auf Tour, und wir dachten in unserem jugendlichen Wahnsinn: Er hat Hijack aus England unter Vertrag genommen – wenn er unser Demo-Tape in die Hände kriegt, sind wir die nächsten, die er signet (lacht).

> Wegen der Parallele eurer politischen Aussagen, bezogen auf Bodycount „Cop Killer“?

Schon, nenn es meinetwegen „Polit-Rap“, obwohl wir ja nicht ausschließlich politisch unterwegs waren.
Wie eben erwähnt, hatten wir vom Party- und Kiff-Song bis zum Representer-Track alles im Repertoire.
Aus der Nummer mit Ice-T ist natürlich nichts geworden. Was allerdings passiert ist, ist die Tatsache, dass
wir aufgrund fehlender Strukturen kein Label gefunden haben und im Gegensatz zu Advanced Chemistry, die aus demselben Grund mit Akim (Walta, Anm. d. Red.) MZEE-Records gegründet haben, auf andere Kontakte angewiesen waren. Hannes hat im Studium Sascha Wolf kennengelernt, der damals das Label „Wolverine Records“ betrieb, ein reines Punk-Label. Er fand das Demo-Tape richtig geil und hat uns daraufhin angeboten, unser Album auf seinem Label zu veröffentlichen.

> Somit hattet ihr also eure Plattform gefunden, um das Album zu realisieren

Genau – wir wollten eigentlich nur, dass das Ding endlich rauskommt, egal über welches Label. Sascha hat das Demo-Tape dann auch an den Chefredakteur vom Zap-Magazin, Moses Arndt, geschickt, das in den 80er- bis Mitte-90er-Jahren zu den größten Organen der Punk-/Hardcore-Szene in Deutschland zählte.
Der wiederum hat das Tape so abgefeiert, dass er es im Magazin zum „Demo-Tape des Monats“ ernannt
hat. Von dem Tape hat er dann noch ein 7"-Bootleg mit dem Titel „Partisanen gegen Deutschland“ pressen lassen, mit den Tracks „Knall sie ab“ und „Fick die Polizei“. Auf der B-Seite waren Drohanrufe für Nazis, die man abspielen und auf deren Anrufbeantworter hinterlassen konnte. Die Idee war, dass man zum Beispiel
in irgendeiner Kneipe anruft und dann mit verstellter Stimme hört: „Wir haben gehört, dass sich bei dir in
der Kneipe Nazis treffen... die lokale Antifa-Umzugsfirma ist schon unterwegs und zerlegt gleich deinen Laden.“ Dieses Bootleg löste dann einen ungeahnten Hype in der Punk-/Hardcore-Szene aus, der uns viele Türen geöffnet hat. So waren wir dann plötzlich in Hamburg und haben in der Markthalle als Vorgruppe von „Slime“ gespielt.

> Wie seid ihr mit euerm Sound angekommen in der Punk Szene?

Wir wurden mit Bierflaschen beworfen. Hannes und Bomber standen allein, nur mit einem DAT-Player, auf der Bühne. Man konnte dem Publikum regelrecht die Ratlosigkeit ansehen, warum es keine Musiker im klassischen Sinne einer Band gab. Das hat sich zum Glück relativ schnell gelegt, und dann hat sich diese linke Szene, die damals vornehmlich nur Punk und Hardcore hörte, uns geöffnet und uns entdeckt.

> Somit wart ihr dann auch eine Schnittstelle zwischen den Kulturen von Hip Hop und Punk

Einerseits schon, andererseits aber auch wieder nicht. Wir waren überhaupt nicht wie Bands wie „Such A Surge“, die aus der Hip Hop-Ecke kamen, aber klassischen Crossover gemacht haben. Unsere Musik war weder Crossover, noch waren wir als Menschen so eingestellt. Im Tourbus lief bei uns zum Beispiel alles – von Too Short, der super sexistischen Rap macht, über Lindenberg bis hin zu Degenhardt (lacht).

"Somit hat sich dann auch, aufgrund der äusseren Einflüsse und der Vielfalt innerhalb der Band, unsere Musik vom klassischen
Hip Hop-Sound weiter weg entwickelt."

> Ihr habt die linke Szene also aufgrund der gebotenen Möglichkeiten nur als Plattform
für euch genutzt

Aber wir kamen damit sehr gut klar. Wir waren ja Hip Hop-Heads und im Grunde offen für alles. Es war nice: Da spielt man dann zum 100. Mal in so einer Antifa-Bude und schläft auf irgendwelchen verranzten Matratzen. Ganz neu im Trend war damals die vegetarische Küche. Vegetarisch auf Antifa hieß: verkochte Nudeln mit Tomatensauce. Das war alles nicht so geil, bis wir dann allerdings in Leipzig im Conny Island das geilste vegetarische Essen aller Zeiten bekommen haben. Wir sind da einfach so in die Szene reingerutscht, ohne dass wir das jetzt forciert hätten – es hat sich einfach so ergeben. Somit hat sich dann auch, aufgrund der äußeren Einflüsse und der Vielfalt innerhalb der Band, unsere Musik vom klassischen Hip Hop-Sound weiter weg entwickelt. Wir hatten schon auf dem Demo-Tape Freunde von uns, die mit Gitarre und Bass Sachen live eingespielt hatten. Dieses Konzept haben wir dann irgendwann auf die Bühne transportiert.
Es gab einen Schlagzeuger, der über den DAT-Sound gespielt hat, dazu dann der Bass. Diese Sachen haben wir dann wiederum im Studio benutzt, teilweise eingespielt, teilweise bereits eingespielte Sounds gesampelt und dann wieder eingebaut. Das hatte einen großen Einfluss auf den Sound und machte das Klangbild einfach breiter.

> Würdest du also sagen, dass es euch im kreativen Sinne gut tat, in der ungebremsten Attitüde
der linken Szene zu wachsen, weil das einen enormen Einfluss auf eure Arbeits- und Herangehensweise hatte?

Absolut – da kamen dann ja auch ganz schnell neue Elemente wie Drum & Bass hinzu. Zonic und ich waren eine Zeitlang richtig auf diesen ganzen Dub-Sachen wie Mad Professor unterwegs. Unterm Strich hat diese Erfahrung unseren musikalischen Horizont extrem erweitert. Das hatte einen weitreichenden Einfluss auf die Band und den Sound. Wir hatten ja keine genaue Vorstellung, wohin wir damit wollten – wir wollten einfach Mucke machen und diese auch rausbringen.

> Aufgrund fehlender Strukturen konnte man zu der Zeit sicherlich noch keine konkreten Zukunftspläne schmieden, sondern war mehr dem Zufall überlassen. Wie ging es dann weiter?

Aufgrund der ersten Platte haben wir die Aufmerksamkeit von Tribehaus Recordings aus Dortmund bekommen, die sich zu der Zeit gerade neu gegründet hatten. Ansgar, der Labelchef, kam selbst aus der Punk- und Hardcore-Ecke, trotzdem war das Label von der Ausrichtung her viel mehr in Richtung Hip Hop. Man darf nicht vergessen, dass gerade die Leute aus der Punk-Szene bereits über die nötigen Strukturen verfügten. Genauso wie in Hamburg auch. Der Ale (Dumbsky, Anm. d. Red.), der Buback Tonträger damals gemacht hat und immer noch macht, kam ebenfalls aus der Punk-/Hardcore-Szene. Die hatten alle ihre Strukturen bereits am Start, weil die Punks organisierter waren...

>...weil die Punk-Bewegung in Deutschland im Gegensatz zum Hip Hop bereits viel früher stattgefunden hat

Ganz genau, die hatten schon Labels gegründet und eigene Vertriebswege aufgebaut. Dementsprechend haben einige dann mit ihrem Wissen und dem Netzwerk im Rücken die Szene gewechselt oder mit einer anderen Szene kooperiert. Tribehaus war musikalisch zwar ein reines Hip Hop-Label, wurde aber von Leuten geführt, die nicht unbedingt aus diesem Bereich kamen. Wir hatten vor unserem Wechsel schon die Jungs von Too Strong kennengelernt, sind zusammen mit ihnen zu Tribehaus gewechselt und waren eine Zeit lang oft gemeinsam auf Hip Hop-Jams unterwegs, bis sich das gegen Mitte/Ende der 90er Jahre dann wieder in verschiedene Richtungen entwickelt hat. Too Strong blieben weiterhin im Hardcore auf der Hip Hop-Schiene, wir hingegen waren zu der Zeit nicht mehr als Band auf Hip Hop-Jams unterwegs, weil wir unsere eigenen Konzerte gespielt und ein ganz anderes Publikum bedient haben.

"Es ging weniger darum, bewusst auf Deutsch zu rappen, sondern vielmehr darum, den Ausgangstext für eine Interpretation zu nutzen."

> Wann hast Du eigentlich angefangen selbst aktiv zu werden?

Ich bin Iraner, im Iran geboren und 1986 aufgrund des Iran-Irak-Konflikts nach Deutschland gekommen.
Da es einen blühenden Schwarzmarkt für VHS-Kassetten im Iran gab, waren amerikanische Filme schneller als Raubkopien erhältlich, als sie in Europa in den Kinos erschienen. Um 1985 herum habe ich also in der Heimat „Breakin’“ und „Beat Street“ gesehen. Komischerweise haben mich die Graffiti-Szenen in den Filmen – obwohl es gerade bei Beat Street hauptsächlich darum geht – weniger interessiert als die Breakdance-Passagen. Vielleicht auch, weil Züge bei uns im Alltag keine Rolle spielten, da es in Teheran damals noch keine Metro gab und ich mich auch an keine Zugfahrten im Iran erinnern kann. Jedenfalls waren wir, also mein Cousin, ein paar andere Jungs und ich, zu der Zeit schon auf dem Breakdance-Film. Ich habe versucht, hohe Sneaker aufzutreiben und habe mir die Handschuhe vorne an den Fingerkuppen abgeschnitten.
Man kann es als eine Mischung aus B-Boy und West-Coast-„bauchfrei“-T-Shirt-Style beschreiben (lacht). Sehr schlimm.
 
Wir haben versucht zu tanzen – die Filme haben uns stark beeinflusst und ich weiß noch, dass ich meine Eltern gefragt habe, was Breakdance eigentlich heißt. Die haben mir das, ohne es besser zu wissen, einfach wörtlich als „gebrochener Tanz“ übersetzt, was für mich anhand der Robot-Moves auch Sinn gemacht hat.
Zu der Zeit wusste ich auch nichts von der Gesamtheit der Kultur, für mich war Rap damals die „Breakdance-Musik“.
 
Nach unserer Flucht nach Deutschland war Hip Hop oder Breakdance erst einmal überhaupt kein Thema mehr. In der 5. Klasse kam ich mit Popmusik in Kontakt, und mein erstes Vinyl war von George Michael – „Faith“. Die Platte hatte ich mir mit einer Freundin geteilt, weil sie einen Plattenspieler hatte – das hat mich dann eine Zeit lang richtig abgeholt. Das einschneidende Ereignis war der Besuch bei meinem Cousin, der zu der Zeit in Amsterdam lebte. Bei ihm habe ich Kool Moe Dee „Go See The Doctor“ zum ersten Mal gehört, er hat dazu gerappt und getanzt. Ich verstand: OK, das ist also Rap-Musik, das hat etwas mit Breakdance zu tun. Natürlich habe ich zu der Zeit noch nicht den Kontext der Kultur mit seinen verschiedenen Elementen verstanden, aber ich wusste, dass das die Musik war, die bei den Breakdance-Künstlern lief. Den genauen Zeitpunkt kann ich im Nachhinein nicht mehr benennen, aber relativ schnell folgte dann auch die Begeisterung für Graffiti. Im Film „Rappin’“ war am Ende der Schriftzug auf einer Wand zu sehen, und das war tatsächlich mein erster Sketch gewesen. Mit 11 oder 12 musste ich mir eingestehen, dass ich Breakdance zwar richtig geil finde, aber nicht talentiert genug war und habe meinen Fokus auf Graffiti verlagert. In meiner Schule gab es dann noch 1-2 andere, die ähnlich bekloppt waren wie ich, auf der Straße hat man sich damals ebenfalls anhand äußerer Merkmale wie dem Kleidungsstil gefunden, und so habe ich dann auch die anderen Writer aus Iserlohn kennengelernt. Das waren Leute, die das natürlich viel besser konnten und von denen ich dann viel gelernt habe. Neben dem Malen habe ich zu der Zeit mit einem Kollegen aus der Klasse eine Band gegründet: NBC – Nico Babak Corporation. Später haben wir uns in irgendwas mit „Bilingual“ oder „Bicultural“ umbenannt – New Bicultural Crew oder so, als wir etwas mehr in die Conscious-Richtung gegangen sind (lacht). Ich habe unseren ersten Rap-Song neulich meinen Kids gezeigt, da ich die Lyrics dazu noch habe – den hatten wir im Musikunterricht geschrieben. Der Kollege hat zu Hause Musik gemacht und hatte ein Keyboard, das er zusammen mit einem Amiga 500 genutzt hat – Beat gebaut, Mikrofon angeschlossen und los ging's.

> Waren die ersten Sachen von euch auf Deutsch? Man hat zu der Zeit ja gerne die Vorbilder aus den Staaten imitiert

Der erste Song war auf Deutsch, da wir im Musikunterricht das Gedicht „Schimmelreiter“ von Theodor Storm musikalisch verarbeiten bzw. interpretieren sollten. Wir haben daraus dann eine Rap-Version gemacht und den Text dafür auch etwas verändert. Es ging weniger darum, bewusst auf Deutsch zu rappen, sondern vielmehr darum, den Ausgangstext für eine Interpretation zu nutzen. Alles, was danach folgte, war dann auf Englisch, weil wir natürlich die Sachen nachgemacht haben, die uns gefielen. Auch die Themen hatten Titel wie „In The Projects“ und handelten vom Leben in Hochhaussiedlungen.

> Hast Du noch die alten Aufnahmen?

Nein, davon gibt’s heute nichts mehr. Ich habe allerdings noch ein Tape mit Instrumentals, und wenn ich mich nicht irre, müsste da auch noch eine Demo-Version drauf sein. Aber generell haben wir mehr spontan gemacht, ohne das aufzunehmen. Jedenfalls habe ich in der Zeit angefangen, viel zu schreiben, und weil
„LJ“ (Hannes Loh, Anm. d. Red.) ebenfalls bei mir auf der Schule war und damals schon einen gewissen Ruf als stadtbekannter Iserlohner Rapper hatte, habe ich mich dann einfach an ihn drangehängt und mich nicht wieder abschütteln lassen. Hannes hatte sehr früh schon, ich würde sagen, um 1990 oder so, eine eigene
7“-Single veröffentlicht. Die A-Seite war Grandmaster-Flash-mäßig auf Englisch, und die B-Seite war allerdings auf Deutsch mit dem Titel „Die Welt ist schlecht“.

> Das ist ja ungefähr zur gleichen Zeit, in der LSD „Competent“ veröffentlicht hat

Genau, ich glaube, die war schon früher dran, aber halt auch nur auf Englisch. Ich kann mich noch erinnern, wie Oli Newman, einer aus der Band, mir damals LSD vorgespielt hat und ich einfach nur weggeflogen bin! Was zur Hölle – das kommt aus Deutschland? Und das war ja erst nur die EP. Später bin ich alleine schon beim Anblick des Album-Covers gestorben. Wie die Jungs da aussahen, dann der Titel „Watch Out For The Third Rail“. Das Album ist für mich immer noch ein Meisterwerk und einfach nur krank. Im Gegensatz dazu waren wir mit unserer Musik zu dem Zeitpunkt Lichtjahre entfernt.

Zurück zu Hannes – zu der Zeit habe ich ihm also am Arsch gehangen, dann Bomber kennengelernt, mich auf das erste Album draufgedrängelt und der Rest ist Geschichte.

"Unser Album hätte
zwei Jahre später erscheinen müssen, dann hätte es vielleicht funktioniert."

> Rückblickend gibt es einen interessanten Kontrast: Einerseits wart ihr eurer Zeit voraus, da es in den Anfangstagen der Hip Hop-Kultur ein recht starres und dogmatisches Schubladendenken gab. Die ersten Schritte habt ihr mithilfe der Punk-Szene gemacht, da man euch im Hip Hop-Kontext vielleicht einerseits nicht verstanden hat, andererseits es auch noch keine Strukturen gab.
Jahre später konntet ihr jedoch nicht das volle Potenzial der genreübergreifenden Kontakte und die Nähe zur linken Szene ausschöpfen, da sich inzwischen andere Gruppen wie zum Beispiel Fischmob genau in dieser Nische festgesetzt hatten mit ihrer Musik.

Die waren einfach klarer – in ihrer Aussage und in ihrem Handeln. Wir waren lange Zeit auch einfach nur experimentell unterwegs, ohne eine klare konzeptionelle Linie zu verfolgen. Das hätte man durchaus eindeutiger strukturieren können, um unsere Musik besser zu vermarkten. Aber darum ging es uns überhaupt nicht, weil wir diese Anti-Haltung in uns hatten. Als wir uns dann dafür geöffnet haben, auch vom Sound her, der aufgrund der musikalischen Entwicklung poppiger wurde, sind wir mit unserem dritten Album „Rappelkisten Kids“ bei dem Major-Label Virgin gelandet. Plötzlich war die Möglichkeit da, richtig aufzudrehen, mit der Musik Geld zu verdienen und vielleicht sogar davon zu leben – aber dafür müssen viele Faktoren und vor allem das Timing passen. Und das tat es nicht. Unser Album hätte zwei Jahre später erscheinen müssen, dann hätte es vielleicht funktioniert.

> Das ist auch so ein wiederkehrendes Element in deiner Laufbahn, dass ihr auffällig oft eurer Zeit voraus wart. Hätte man euch nicht raten müssen, eine Platte zu machen und sie erstmal drei Jahre lang in den Schrank zu legen?

Ja klar, aber zu der Zeit wären wir eh beratungsresistent gewesen, wenn man es versucht hätte (lacht).
Aber es war ja trotzdem alles okay, so wie es damals passiert ist.

> Ein weiterer Zwiespalt bei euch ist euer Fundament. Zum einen seid ihr von der linksradikalen Antifa-Szene geprägt, weil ihr die ersten Schritte in diesem Umfeld gemacht habt, propagiert Parolen wie „Fick die Polizei“ und dann speist ihr euch plötzlich aus literarischen Texten von Franz Josef Degenhardt, dessen Werke man getrost als „deep“ bezeichnen kann und der auch Namensgeber des Albumtitels ist. Und während andere noch über den Atlantik schauen und Brooklyn oder die Bronx als wichtige Orte für Hip Hop bezeichnen, hat für euch Schloss Waldeck denselben Stellenwert. Wie kam es dazu?

Das kommt, glaube ich, alles sehr viel von und durch Hannes. Wir haben viel Funk und Soul gesamplet, weil wir das gehört haben, aber auch frühe 70er-Jahre-Lindenberg-Sachen. Gleichzeitig kam Hannes mit Tom Waits um die Ecke, was jetzt auch nicht der üblichen Hip-Hop-Samplequelle entsprach. Und irgendwann spielte er Degenhardt im Auto und feierte das – für mich hingegen war das null ansprechbar. Textlich vielleicht noch gerade so, musikalisch auf keinen Fall. Aber jeder hat seine Sachen und somit auch seine Einflüsse eingebracht. Bomber war zum Beispiel hart auf englische Sachen unterwegs. Wer das übrigens nicht weiß: Der Name Anarchist Academy setzt sich aus zwei Silver-Bullet-Songs zusammen: „Attitude Academy“ und „Undercover Anarchist“, glaub' ich, wenn ich jetzt keinen Scheiß labere. Dazu dann Zonic und ich, die ganz viel Dub und Reggae eingebracht haben. Wir waren als Gruppe musikalisch total offen und haben als Band alle Stilrichtungen in unserer Musik vereint. Und das mit Degenhardt kam eben von Hannes. Er hatte die Idee, „Schmuddelkinder“ neu aufzulegen, was sich im ersten Augenblick als absoluter Krampf herausstellte. Degenhardt spielt schief und krumm – krieg das mal als Sample in einen Loop! Und wie kriegt man das funky? Darum gibt's ja auch zwei Versionen von dem Track. Auf der A-Seite ist die traditionelle Nummer und auf der B-Seite dann der Westcoast-Remix. Wir haben das einfach gemacht und ihm das dann zukommen lassen. Degenhardt hat die Nummer hart gefeiert und plötzlich wurden wir zu seinen Geburtstagsfeierlichkeiten auf Schloss Waldeck eingeladen. Und dann stehst du da und hast auf einmal Kontakt zu Bands wie Blumfeld, Tocotronic und vor allem dann die Sterne – deren Sound ich super funky finde. Und dann kriege ich mit, dass die sogar einen Track mit DJ Mad gemacht haben. Ich habe keine dieser Bands vorher gehört oder aktiv verfolgt, aber man trifft sich, alle verstehen sich und Dinge haben sich an diesem Ort einfach ergeben. Wir waren sowohl musikalisch als Band als auch menschlich als Personen immer offen. Auch hier haben wir nicht das Kapital daraus geschlagen, das möglich gewesen wäre. Aber wenn man seinem Label einen zwei Meter Pimmel per Fax schickt, weil die einen abfucken, zeigt das auch, dass wir dafür nicht bereit waren (lacht).

> Aber gerade für die Zeit damals wart ihr offen für alles und habt euch weder den klassischen Hip Hop-Hütern noch den anderen ungeschriebenen Gesetzen unterworfen

Nein, das gab es alles nicht für uns. Auf der Anarchophobia-Vinyl gab es als Bonus eine endlos lange
Stand-up-Comedy-Nummer am Ende der Platte. Wir haben uns ins Studio gesetzt und das nachgespielt, was wir im Tourbus immer gemacht haben: Songs mit Lispeln nachsingen oder den Text völlig verformen. Also aus „Everybody Loves The Sunshine“ wurde dann „Jeder da draußen hat Zahnstein“. Das fanden wir so witzig, dass wir das minutenlang aufgenommen und auf Platte gepresst haben. Ich glaube, niemand außer Pahel von RAG hat sich das jemals ganz angehört oder als lustig empfunden. Pahel feiert das auf jeden Fall (lacht). Das meine ich mit beratungsresistent – wir waren einfach auf unserem Film.
Natürlich hätte man bestimmte Dinge schlauer machen können, damit man sie besser vermarktet bekommt, aber ich habe meinen Frieden damit gemacht.

> Du erzählst, was ihr alles unternommen habt im Namen der Kultur – was hat die Kultur für dich gemacht bzw. was hat die Kultur dir gegeben?

Mein Leben! Also jetzt nicht im pathetischen Sinne, dass ich ohne Hip Hop verloren wäre. Es hat mir eine Tür zu einer Welt geöffnet, die ich mir als junger Mensch nicht hätte vorstellen können. Ich bin Schulabbrecher – nicht aufgrund von Unvermögen, sondern weil wir am zweiten Album gearbeitet haben und ich mehr Zeit im Studio als in der Schule verbracht habe. Ich habe auch ehrlich gesagt in diesem Moment nicht darüber nachgedacht, was ich später einmal werden möchte.

> Aber genau das nennt man grenzenlose Leidenschaft

Genau, es war keine Frage, was ich mache. Auch diese Zulu Nation-Sache damals, auch wenn das teilweise sinnlos und engstirnig war, hat mir geholfen, eine Identität – auch innerhalb der Band – zu finden. Wir waren ja auch mit den Silos connected, aber ich war der Einzige, der mit seinen 19 Jahren bis dahin noch nie gesoffen, geraucht oder gekifft hat. Diese Kultur hat mich dann schon beschützt. Ich bin zum Glück als Kind in einen Topf mit Selbstbewusstsein gefallen, trotzdem hat mir Hip Hop in meiner Jugend die Möglichkeit gegeben, diese typischen und altersbedingten Unsicherheiten zu überspielen. Heute gibt mir die Kultur die Möglichkeit, meine Familie zu ernähren und meine Leidenschaft täglich auszuleben. Ich will nicht sagen, dass ein ‚normaler‘ Job per se schlimm wäre. Für mich auch durchaus machbar. Aber so kann ich mein Ding machen. Und denk mal an all die Freundschaften, die weltweiten Connections! Mit Leuten so schnell auf einem Nenner zu sein. So viele Leute, die ich kenne, obwohl wir uns noch nie getroffen haben – wegen
Hip Hop. Und Leute, mit denen ich verbunden bin, die ich aber eigentlich gar nicht ‚kenne‘, da ich noch nie bei denen zuhause war, weder die Eltern noch die Geschwister kenne, wir haben nie miteinander abgehangen – aber wir haben eine unfassbare Connection wegen Hip Hop. Und das auf so einem Level, dass, wenn derjenige morgen anruft und Hilfe braucht, ich da bin. Das alles nur durch Hip Hop.

"Aber wenn es jetzt ein Job ohne diesen kulturellen Background wäre, dann wäre so etwas wie Einzelhandel nichts für mich."

> Wofür schlägt Dein Herz mehr – Musik oder Graffiti?

Kann ich nicht sagen. Es hat alles den gleichen Wert. Das ist ja auch der Nachteil bei mir: Ich habe nie richtig gerappt, ich habe nie richtig gemalt, ich habe nie richtig getanzt, ich habe nie richtig aufgelegt, ich habe nie richtig Sound Engineering gemacht – ich habe nie richtig irgendwas gemacht.
Ich habe im Studio mitproduziert, weil ich wusste, wie es geht, ich hatte Sampler, hab aber nie groß Beats gebaut. Ich lege gerne auf, kann aber immer noch keinen Übergang mixen. Ich kann etwas ‚Wigge Wigge‘ machen, aber ich kann nicht scratchen. Weißt du, was ich meine? Auch bei Anarchist Academy war ich bei der Veröffentlichung nur bei einer Handvoll Tracks dabei. Aber ich war bei jeder Studio-Session. Ich wollte auch eigentlich keinen eigenen Laden aufmachen. Es war nie mein Traum, einen Laden, geschweige denn einen Graffiti-Laden, zu eröffnen.
Bei Anarchist Academy hat sich das alles so entwickelt, dass ich aufgrund meiner strukturierten Herangehensweise die geschäftlichen Sachen übernommen habe, weil ich am cleansten war (lacht).
Sprich: Das Booking übernommen habe, mich um das Merchandise gekümmert habe, die Produktion und den Verkauf organisiert habe, Abrechnungen gemacht habe, die Kommunikation mit dem Label – das alles lief irgendwann über mich, auch wenn wir immer alles gemeinsam als Band gemacht haben. Dadurch
haben sich neue Kontakte ergeben, dadurch ist mein Job bei MZEE entstanden, dadurch bin ich in den Einzelhandel gerutscht... die Sachen haben sich einfach alle so ergeben. Und wenn sich jetzt morgen wieder etwas anderes ergibt – auch cool. Aber wenn es jetzt ein Job ohne diesen kulturellen Background wäre, dann wäre so etwas wie Einzelhandel nichts für mich. Ich kann das nur machen, weil das mein Laden ist und ich täglich die Kultur hier lebe, weil ich die Musik höre, die ich liebe, Klamotten anziehe, die ich liebe, rede, wie ich's liebe. 24/7 Hip Hop eben.

> Welchen Albumtitel würdest Du Deinem Leben geben?

Geil finde ich ja den ersten Albumtitel von uns: ‚Am Rande des Abgrunds‘, aber das stimmt ja nicht (lacht). Mein Leben ist viel zu schön, als dass es am Rande des Abgrunds wäre. Ich bin da sehr von Public Enemy geprägt, das wäre etwas Deepes mit viel Konzept, aber spontan kann ich das jetzt so nicht sagen.
Oder einfach: DEDICATED.

> Jetzt mal Hand aufs Herz: Findest du, dass dein Werk die nötige Anerkennung erhalten hat,
die es verdient hätte?

Hand aufs Herz: Nein. Aber es juckt mich jetzt in dem Sinne nicht. Ich freue mich natürlich über Lob und positives Feedback, aber das brauche ich nicht als Motivation, noch sitze ich deswegen zuhause und bin deprimiert, weil wir als Band nicht den Respekt oder das Feedback bekommen haben, das wir verdient hätten. Ich denke, die ganze Band sieht das genauso. Ebenso denke ich, nach 20 Jahren Dedicated Store, dass die meisten meiner Kunden gar nicht checken, was ich in den 20 Jahren aufgebaut, gepusht und gemacht habe – insgesamt, was ich der Kultur zurückgegeben habe. Aber ich mache das, weil ich es für richtig halte und nicht, weil mir jemand auf die Schulter klopft.

> Trotzdem hat man Ambitionen. Du hattest vorhin den Deal mit dem Major-Label erwähnt und die damit verbundene Hoffnung, mit dem dritten Album durchzustarten. Wenn man selbst davon überzeugt ist, etwas Gutes in der Hand zu haben, ist die Erwartungshaltung eine andere

Wir haben viele solcher Sachen gemacht. Mitte/Ende der 90er haben wir ein Magazin herausgebracht, das einen politischen Gegenentwurf zur Backspin darstellen sollte, weil niemand politische Themen besprochen hat. Also haben wir ein politisches Hip-Hop-Magazin mit dem Titel „ATTF“ (Anarchist To The Front) herausgebracht. Unsere Rechnung lautete wie folgt: Wir verkaufen als Underground-Künstler gerade 15.000 Platten, was damals richtig gut war. Also machen wir eine 1.000er-Auflage von dem Magazin, das wir dann auf jeden Fall am Merchandise-Stand wegbekommen. Das hat nicht funktioniert. Also dachten wir uns, wir müssten auf Hochglanz drucken und doppelt so viele Seiten machen – also eine zweite Auflage herausgebracht, noch mehr Schulden bei der Bank angehäuft, und die hat dann aber auch nicht funktioniert. Das war dann das Ende des Magazins.
 
Damals wie heute denke ich darüber nach, dass wir so viel Zeit und Mühe hineingesteckt haben und es niemals die Anerkennung erfahren hat, die es verdient hätte. Trotzdem haben wir damit wichtige Pionierarbeit geleistet. Ich glaube, es ist das erste und einzige politische Hip-Hop-Magazin in Deutschland gewesen. Wir hatten exklusive Graffiti-Seiten aus Dortmund von Mason mit unveröffentlichten Fotos zusammengestellt, wir hatten Interviews mit Writern, mit Rappern und Berichte über die Zapatistas – politische Gruppen aus Mexiko. Da waren wir auch hier wieder einmal der Zeit voraus. Oder die Zeit hat das alles nicht gebraucht (lacht).
 
Insofern denke ich schon ab und an, dass es schön gewesen wäre, wenn manche Dinge eine gewisse Anerkennung bekommen hätten. Aber das kann ja noch kommen. Die Geschichte ist noch jung, wir sind noch jung und alle noch aktiv. Der Hannes schreibt Bücher und kriegt dafür Feedback. Letztens noch mit Deadly gesprochen, der arbeitet gerade wieder an der Veröffentlichung von Rap-Musik. Ich mache meinen Shit so oder so. Es gab mal Zeiten, in denen ich nicht unbedingt so easy damit war, aber inzwischen habe ich meinen Frieden damit gemacht.

"leider gehöre ich
zu den wenigen Läden heutzutage, die eine solche Schnittstelle zur Kultur darstellen."

> Siehst du deinen Laden und das, was du heute machst, als Schnittstelle der Kulturen?
Gerade im Raum Köln bist du mit deinem Laden ein fester Begriff

Viele meiner Kunden wissen tatsächlich nichts über mein erstes Leben als Musiker – was aber auch nicht schlimm ist. Ich feier das für mich. Manchmal ist das ja auch unangenehm, wenn Leute so... naja, du weißt schon. Man freut sich, aber irgendwie eher unangenehm (lacht).
Mein Laden ist auf jeden Fall eine Schnittstelle – aber leider gehöre ich zu den wenigen Läden heutzutage, die eine solche Schnittstelle zur Kultur darstellen. Es gibt in fast jeder Stadt einen Graffiti-Laden, auch eine Handvoll Graffiti-Läden, die genauso lange oder sogar noch länger als ich am Start sind. Aber viele sind eben nur Graffiti-Läden. Die verkaufen Graffiti-Shit, haben auch Kontakt zur Graffiti-Szene, die inzwischen auch viel unabhängiger von der Hip Hop-Szene geworden ist, aber das war's. Viele meiner Kunden sehen mich vielleicht auch als einen hängengebliebenen Hip Hop-Opa, was ja auch okay ist, da ich aus einer Zeit komme, in der man die Kultur mit allen Elementen gefeiert hat und das bis heute noch so lebe. Ich finde diese Gesamtheit der Kultur sehr wichtig, und dementsprechend versuche ich, das weiterzuleben – nicht zwanghaft weiterzugeben. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich kann das nur vorleben, nach dem Leitsatz „Lehre durch dein Beispiel“. Ich sehe das als Schnittstelle und versuche, alle anderen innerhalb der Kultur auch zu pushen – sei es durch meine Zusage bei „Pioneers Of Hip Hop“, wo ich als Host mitwirke, oder wenn ich irgendwo auflege, weil ich ein Selector bin und eine gute musikalische Vision habe, auch wenn's nicht die geilsten Mixe sind, die ich am Plattenteller darbiete.
Und natürlich bei den Hip Hop-Veranstaltungen, die bei mir stattfinden. Natürlich gibt's auch hier Stimmen, die sagen: „Der macht das nur wegen dem Geld!“ Leute, natürlich hat das einen Werbe-Effekt für meinen Laden, keine Frage. Nutze ich auch so. Aber ich habe deswegen eher Diskussionen zuhause mit meiner Frau: „Was? Schon wieder? Wie lange bleibst du da? Kriegst du da auch mal Geld?“ Nein, von dem Eintritt zahlen wir die Kosten von den Jungs.
Es hat schon einen Grund, warum kein anderer Laden deutschlandweit so etwas anbietet, was wir hier anbieten, weil es Zeit und Geld kostet. Darauf scheiße ich aber, weil ich selber Bock drauf habe. Es ist ein Plus/Minus/Null-Geschäft, und das meine ich jetzt wirtschaftlich gesehen. Aber bei unserer Kultur geht's ja nicht ums wirtschaftliche Rechnen, sondern ums Machen. Natürlich ist an solchen Abenden ein Schulterklopfer für mich persönlich mehr wert als mit einem Fuffi nach Hause zu gehen. Das tut gut, die Liebe aus der Szene heraus zu bekommen. Dann lohnt es sich, wenn 50 andere das zu schätzen wissen und den Augenblick abfeiern.

> Vervollständige den Satz: Wäre Hip Hop eine Chrom-Kanne mit Fatcap...

...dann wäre mein Leben ein Wholecar! Macht das Sinn? Hip Hop füllt mein Leben aus!

> Wen würdest Du gerne beim nächsten Pioneers Of Hip Hop Event auf der Bühne sehen?

Rodney P – London Posse.

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> interview/fotos: jimi

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