das Archiv – interview d–tex–law

"Meine Rolle lag
eher darin,
die aufkommende Kultur zu verbreiten und zu fördern" 

> d–tex–law

> Für alle, die Dich nicht kennen – stell Dich bitte kurz vor

Mein Name ist Robert Möller, ich komme ursprünglich aus Düsseldorf. Unter meinem Künstlernamen
„D-Tex-Law“ bin ich auch als „RobLaRock“ oder „Rob der Richter“ bekannt. Meine musikalische Laufbahn begann früh gemeinsam mit Daniel Sluga, auch bekannt als Fader Gladiator, und Volkmar Lange, alias
Der Imperator (RIP), in der Hip Hop-Formation „Controversial Unique Style“, kurz „CUS“.
 
Die beiden waren bereits eine Band und suchten noch einen Rapper. Über Haluk, auch bekannt als Tuareg von STF, den ich vom BMX-Fahren kannte, wurden sie auf mich aufmerksam. Haluk stellte den Kontakt zu Daniel und Volkmar her, und wir trafen uns. Da Daniel ebenfalls eine BMX-Vergangenheit hatte, passte die Chemie von Anfang an. Gegen Ende der 80er Jahre wurde ich schließlich festes Mitglied der Gruppe.

> Was ist dein persönlicher Beitrag zur Hip Hop Kultur?
Worin bist Du ein vorreiter?

Ich würde mich selbst nicht unbedingt als Vorreiter oder Pionier bezeichnen, auch wenn ich von Anfang an dabei war. Zwar gehöre ich zur ersten Generation, aber ich habe nicht dieselben bahnbrechenden Leistungen erbracht wie andere. Zum Beispiel LSD, die von Beginn an extrem professionell waren und mit ihrem
Album "Watch Out For The Third Rail" ein echtes Ausrufezeichen gesetzt haben. Das sind für mich Pioniere. Oder auch Advanced Chemistry, die mit ihrem Track "Fremd im eigenen Land" bereits früh politische Themen aufgegriffen haben, die bis heute relevant sind. Sie wurden damals zum Sprachrohr und in gewisser Weise zum Gesicht der Szene.
 
Ich selbst war zwar bei allem dabei, habe mitgemacht, bin aber parallel auch noch BMX gefahren. Meine Rolle lag eher darin, die aufkommende Kultur zu verbreiten und zu fördern – das könnte man als meine Art von Pionierleistung betrachten. Ein Beispiel dafür ist die Gründung des Plattenlabels Blitz Vinyl. Auch wenn ich das eher als organisatorischen denn als kulturellen Beitrag sehe, war es dennoch ein wichtiger Schritt.
Ich habe es geschafft, eine GbR zu gründen, die als Basis für das Label diente, unter dem dann unsere Maxis, STF-Releases und auch die Platten von Äi-Tiem erschienen sind.

> Du beschreibst Dich als ‚Mitglied der ersten Generation‘.
Beschreib mal bitte die [Aufbruch]Stimmung dieser ersten Generation

Schon damals war Hip-Hop eine Subkultur, die aus verschiedenen Elementen bestand: Breakdance, Graffiti, Rap – und für mich persönlich gehörte auch BMX von Anfang an dazu. Ich kannte bereits damals Frank Schnütgen, der immer die neuesten und ausgefallensten Sachen kannte. Schon 1988 drückte er mir Musik wie "Just Ice" in die Hand.
Bei BMX-Contests wurden wir oft schief angeschaut, weil die Leute mit unserer Musik nichts anfangen konnten und dachten, sie sei musikalischer Müll. Deshalb mussten wir regelrecht Missionarsarbeit leisten,
um den Leuten zu erklären, was Hip-Hop eigentlich ist und wofür diese Kultur steht.

"Es herrschte
eine richtige Aufbruchsstimmung,
auch wenn man
den Leuten immer
wieder erklären musste, was man da eigentlich machte"

> Also habt ihr auf den BMX Veranstaltungen auch Werbung für Hip Hop gemacht?

Ja, klar, aber eher unbewusst. Wir haben diese Kultur einfach gelebt. Es war selbstverständlich, dass dort,
wo wir auftauchten, die neuesten Platten liefen. In Düsseldorf gab es damals schon gut sortierte Plattenläden, und ich konnte früh Alben von N.W.A., Run-D.M.C. oder Public Enemy kaufen. Wir hatten
auch schon früh Kontakte nach England. Dadurch hatte ich als einer der Ersten in der Region Musik von Hijack oder dem London Rhyme Syndicate. Die Leute, die sich dafür interessierten, hörten diese Tracks oft zum ersten Mal bei mir. Der Zusammenhalt war damals noch viel stärker, weil die Szene so klein war –
man kannte sich. Wir hingen zusammen ab, fuhren BMX, und oft waren auch noch Breakdancer oder Sprüher mit dabei.
 
Hip Hop als ‚Rap‘ war noch nicht so präsent; in Düsseldorf gab es damals keine große Rap-Szene, und in
Köln war das auch nicht anders. Das entwickelte sich erst später mit Gruppen wie LSD oder unserer eigenen Formation CUS. Es herrschte eine richtige Aufbruchsstimmung, auch wenn man den Leuten immer wieder erklären musste, was man da eigentlich machte, weil wir weit abseits des Mainstreams unterwegs waren.

Das galt für alles, was ich tat. Beim BMX-Fahren waren wir die Ersten, die es wirklich ernst nahmen und viel Zeit investierten. Mit der Musik war es ähnlich. Ständig stieß man auf fragende Blicke, weil die Leute einfach nicht verstanden, was wir da machten. Besonders verrückt wurde es, als der deutschsprachige Rap aufkam – ab da verstanden sie gar nichts mehr.

> Du beschreibst dieses Aussenseiter Dasein. Das kenne ich auch noch von damals, wenn
man zum Beispiel auf dem Weg zu einer Jam war. Auf dem Weg dorthin im Zug konnte man Gleichgesinnte sofort an der Kleidung erkennen – weite Hose, Baseball Cap, Rucksack

Genau, man hat sofort gemerkt, dass jemand irgendwie dazugehört. Wenn du heute im selben Zug sitzt und jemanden fragst, ob er auch auf dem Weg zur gleichen Jam ist, kann es gut sein, dass er antwortet: „Nein, ich bin auf dem Weg ins Büro – ich bin Anwalt.“ (lacht)

> Lass uns jetzt nicht die Floskel bemühen „Früher war alles besser“

Früher war definitiv nicht alles besser! Erst kürzlich habe ich mich mit DJ Jenz getroffen, mit dem ich unter anderem den „Düsseldorf lebt“-Sampler gemacht habe. Er hat auch die „D-Tex-Law“-Maxi produziert
und war aktives Mitglied beim Blitz Mob. Wir haben zusammen an Beats gearbeitet und dabei darüber gesprochen, wie schwierig es damals war, Musik zu machen. Mit den Atari-Samplern und Floppy Disks dauerte es ewig, bis etwas geladen war, und wenn man dann noch etwas schneiden wollte, war es eine Qual. Jede Kleinigkeit war ein riesiger Aufwand aufgrund der begrenzten Technik. Für mich als Nicht-Produzent
war es besonders hart, nächtelang neben dem Produzenten zu sitzen, bis der Beat endlich fertig war, auf
den ich rappen konnte. Dem Produzenten ging das irgendwann auf die Nerven, und für alle anderen im Raum war das wie Gefängnis – es war einfach tödlich!
 
Heute ist das ganz anders. Du kaufst dir einen Laptop, installierst ein Musikprogramm, und jeder kann
sofort anfangen, Musik zu machen. Natürlich hört man das an der Qualität der Produktionen, aber die Tatsache, dass jetzt jeder Zugang zu diesen Möglichkeiten hat, ist viel besser als damals. Wenn heute
jemand richtig talentiert ist, aber kein Geld hat, kann er trotzdem Musik produzieren und etwas auf die
Beine stellen. Früher war das undenkbar, allein schon aus finanziellen Gründen. Wir saßen damals zu
sechst zusammen, jeder hat seine Ersparnisse geplündert, damit wir die nötige Hardware kaufen konnten, die wir dann gemeinsam im Studio nutzten. Dieser Pioniergeist war großartig, aber es war definitiv nicht
alles besser.

"das alles war selbst organisiert, einen grossen Geldgeber, der uns unterstützt hätte, gab es nicht" 

> Gilt das auch für die Strukturen?

Natürlich! Selbst wenn man damals etwas erreicht hatte, gab es deutlich weniger Resonanz. Denk mal zurück, wie viele Einheiten von „Fremd im eigenen Land“ damals verkauft wurden – ich schätze etwa 10.000 bis 15.000 Platten, was zu der Zeit eine beachtliche Zahl war. Gleichzeitig war es im Vergleich zu heute eigentlich fast nichts. Würde man diesen Track heutzutage mit den aktuellen Möglichkeiten veröffentlichen, müssten sich die Mitglieder von damals keine Sorgen mehr machen. Ironischerweise war der Pioniergeist, den wir hatten, auch unser Nachteil. Wir waren zwar die Ersten, die etwas auf die Beine stellten, aber es dauerte unglaublich lange, bis wir die Strukturen aufgebaut hatten, um professionell Musik zu machen –
weil wir dem Zeitgeist so weit voraus waren.
 
Als diese Strukturen dann endlich standen und wir ein gutes Produkt hatten, fehlten uns die Kanäle, um
es der breiten Masse zugänglich zu machen. Es gab einfach noch keine Plattformen wie zum Beispiel das Internet. Ich erinnere mich genau, wie wir unsere White-Label-Pressepressungen per Post einzeln verschickten – ein riesiger Aufwand, nur um eine kleine Minderheit zu erreichen, immer in der Hoffnung, dass vielleicht eine Zeitschrift ein paar Zeilen über die Platte schreiben würde. Heute kann man einen Song veröffentlichen und sofort hat jeder die Möglichkeit, ihn zu hören. Natürlich ist es dann immer noch schwer, ihn zu promoten, aber die Plattform ist da.
 
Als wir damals endlich unsere Platten veröffentlicht hatten und auf Resonanz hofften, kam direkt die nächste Hürde: Früher warst du nichts, wenn du kein Studio und keine Platte hattest. Sobald du das erreicht hattest, warst du plötzlich wieder niemand, weil du kein Musikvideo hattest. Durch den Einfluss der Major Labels und die neuen Plattformen wie „MTV“ und „Viva“ hinkten wir erneut hinterher. Trotzdem hat es unglaublich viel Spaß gemacht – vielleicht auch, weil wir jung und unbedarft waren und uns vieles einfach egal war.

> Du bist Mitbegründer und Inhaber des ersten Independent Labels „Blitz Vinyl“ in Deutschland.
Zu einer Zeit, als es eigentlich noch kein „Independent“ gab – wie schwer war es, Strukturen aufzubauen, Kontakte zu knüpfen und vor allem – wie habt ihr das alles finanziert?

Da ich zu der Zeit bereits Inhaber einer Agentur für BMX-Shows war, fiel mir die Gründung des Labels bzw. einer GbR relativ leicht, da ich mich mit den notwendigen Formalitäten schon auskannte. Deshalb haben sich die anderen auch darauf verlassen, dass ich mich um den ganzen Papierkram für das Label kümmere.
 
Finanziert haben wir das alles selbst. Die Mitglieder des Labels haben ihre Ersparnisse zusammengelegt, um das nötige Equipment – vor allem Sampler – zu kaufen. Plattenspieler hatten wir alle schon, es ging vielmehr um die Studiotechnik, die wir uns beschaffen mussten.

> Und wie habt ihr eure Veröffentlichungen finanziert, die Pressungen?

Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht mehr ganz genau. Entweder habe ich etwas Geld vorgestreckt, oder wir haben alle zusammengelegt. Unser Vertrieb hat auch einen Teil der Produktionskosten übernommen und diese dann mit den Verkäufen verrechnet. Im Grunde genommen waren das ganz einfache Strukturen:
Die Platten und CDs wurden auf Anfrage produziert, nur so viele, wie man wirklich brauchte – das hat gut funktioniert.
 
Durch meine BMX-Kontakte hatte ich auch zu Zeiten des Blitz Mobs Kontakt zu Adidas, die mich gesponsert haben. Allerdings waren das eher kleine Beträge. Marken wie Homeboy oder Airwalk waren ebenfalls von
uns angetan, aber finanziellen Support gab es von denen nicht – dafür konnten wir uns in deren Lager in Frankfurt die Taschen mit Klamotten vollmachen. Das ist auch heute noch so! (Danke, Jürgen Wolf von Homeboy! lacht) Durch unsere Auftritte bei Streetball-Events sind wir viel herumgekommen und hatten großartige Konzerte in Hamburg, Leipzig und Berlin. Aber das alles war selbst organisiert, einen großen Geldgeber, der uns unterstützt hätte, gab es nicht. Das wäre eigentlich die Aufgabe des Labels gewesen. Aber da wir als Label nur mit minimalen Mitteln gearbeitet haben, war das einfach nicht möglich.

> Auf den Covern der Platten steht auf der Rückseite unter anderem zu Deinem Namen „Fanclub, Booking and Business Contact“. Gab es zu der Zeit einen Fanclub? Hast Du noch Veröffentlichungen oder Flyer aus der Zeit?

Wir hatten damals schon Flyer, die man heute als „Sales Flyer“ bezeichnen würde. Diese zeigten eine Übersicht aller Produkte von Blitz Vinyl. Der Fanclub, den wir damals hatten, war eher ein netter Gag. Natürlich haben wir auch Briefe bekommen, darunter auch skurrile Anfragen von Leuten aus dem Gefängnis, die gerne eine CD von uns gehabt hätten, um in der Zelle etwas Musik zu hören (lacht). Insgesamt war die Resonanz so gering, dass wir alle Briefe persönlich durchlesen und beantworten konnten. Das Ganze war also nicht allzu ernst gemeint.
 
Zu den Cover-Gestaltungen möchte ich noch einen Nachtrag zur „Pionierarbeit“ machen. Zu der Zeit steckte die Computergrafik noch in den Kinderschuhen. In Düsseldorf hatten wir mit „Guerilla Graphics“ eine Grafikagentur mit zwei Jungs, die sehr szene-affin waren. Sie haben uns für kleines Geld die Artworks erstellt. Eine weitere Parallele zum Produzieren: Man saß neben ihnen, und die Rechner waren so verdammt langsam, dass es kaum auszuhalten war, während der Grafiker an etwas arbeitete. Bei „Der Imperator schlägt zurück“ kam es zudem noch zu einer Fehlpressung der ersten CD, weil wir einen Fehler bei den Farbfeldern gemacht hatten – statt Rot wurde das Cover in Magenta gedruckt.

> Stimmt, es gibt zwei Farben...

...es gab insgesamt drei Farben: Magenta, Rot und Blau. Bei den ersten 500 Exemplaren hatten wir versehentlich Magenta statt Rot verwendet, und wir waren ziemlich überrascht, als die CDs ausgeliefert wurden. Keiner von uns wusste, was genau schiefgelaufen war. Die zweite Auflage kam dann wie geplant in Rot, und die dritte in Blau. Es war damals wirklich schwierig und oft kompliziert, Covergrafiken zu erstellen.

Später hatten wir mit „Magic“ und „Zeek“ zwei herausragende Grafiker, die selbst aus der Szene stammten, da sie Graffitikünstler waren. Die Artworks wurden erheblich besser, als die beiden sich um die Gestaltung kümmerten. Beide sind heute noch in diesem Bereich aktiv: Zeek arbeitet in Weil am Rhein und erstellt Grafiken für Carhartt, während „Magic“ als Künstler Ausstellungen in Düsseldorf hat. Der große Vorteil damals war, dass die Szene so klein war – man kannte sich und half sich gegenseitig.

"Competition!
100 % Competition – gerade, weil die Szene so
klein war" 

> In der Entstehungszeit gab es nur wenige Mitstreiter und insgesamt war es
eine Gruppe von „Exoten“. Hat das zusammengeschweisst und vereint oder gab es trotzdem
Konkurrenz/Competition?

Competition! 100 % Competition – gerade, weil die Szene so klein war. Unser Hauptkonkurrent war MZEE Records. Akim (Walta, Anm. d. Red.) machte dasselbe wie wir, aber geschickter und letztendlich besser.
Die Rivalität war zwar rückblickend etwas albern, aber so war es nun mal. Ich erinnere mich an ein Treffen
mit den Fantastischen Vier in Pforzheim, als sie mit einer 30-köpfigen Fernsehcrew angereist kamen und bereits ihren Plattenvertrag in der Tasche hatten. Das war natürlich erst einmal frustrierend (lacht).
 
Es liegt wohl in der menschlichen Natur, dass es zu Konkurrenzkämpfen kommt. Trotz der Rivalitäten war es eine Szene, auch wenn sie sich zunehmend in Städte und Regionen aufteilte, wie zum Beispiel Düsseldorf und Köln.

> Habt ihr verfolgt was noch alles in Deutschland los war oder habt ihr euch nur
auf euch fokussiert?

Das war definitiv eine interessante Zeit. Man kannte sich und traf sich regelmäßig. Zu der Zeit waren wir sehr puristisch unterwegs und lehnten das kommerzielle Massending grundsätzlich ab. Rückblickend könnte
man sagen, es war vielleicht auch ein Stück Neid, aber wir hatten einfach nicht die gleichen Möglichkeiten. Ich weiß, dass Daniel und Volkmar zu den Anfangszeiten ein sehr lukratives Angebot hatten, das sie jedoch abgelehnt haben. Dieses Angebot hätte sich möglicherweise als sehr erfolgreich herausgestellt und hätte
ein Vorreiter für spätere „Hip-Pop“-Künstler sein können.
Allerdings entsprach die Produktion nicht ihren Vorstellungen. Daniel ist später mit seinem eigenen Label und seinen Arbeiten äußerst erfolgreich geworden und hat sich eine Platinplatte nach der anderen eingesackt – teilweise mit dieser Musik, die damals nicht ihren Vorstellungen entsprach. Das war jedoch alles vor meiner Zeit. Ich war durch meine Shows und die Agentur tendenziell dem Kommerz gegenüber offener und hatte nicht diese generelle Abneigung.

> Hättest Du Bock heute nochmal ein Independent Label zu führen oder Nachwuchstalenten eine Plattform auf dem Label zu bieten?

Auf keinen Fall, das wäre mir zu viel Arbeit. Heute teilt sich das in „brotlose Kunst“ auf – da musst du ein echter Nerd sein, der aus Leidenschaft und Überzeugung arbeitet, aber dabei kein Geld verdient. Schau dir die meisten Rapper an: Sie bringen Platten heraus, müssen aber nebenbei noch voll arbeiten. Das geht vielleicht, wenn man jung ist. Ich mache Dinge entweder, weil sie mir Spaß machen oder weil sie Geld einbringen. Mein Geld verdiene ich mit meiner Agentur, früher mit BMX. Musik habe ich in erster Linie aus Leidenschaft gemacht, und obwohl es nicht für den großen Durchbruch gereicht hat, ist das auch in Ordnung. Alles jetzt noch einmal von vorne zu starten, wäre mir inzwischen zu mühselig.
 
Allerdings habe ich wieder begonnen, mich verstärkt mit Hip Hop zu beschäftigen. Spätestens seitdem Detlef (Rick Ski) mich letztes Jahr zu seinem Geburtstag eingeladen hat und ich plötzlich einen Flyer mit meinem Namen im Line-up für „Pioneers of Hip Hop“ 2023 in der Hand hielt, merkte ich, dass wir aneinander vorbeireden: Ich dachte, ich gehe einfach zu seiner Party, bringe einen Kuchen mit und hau mir die Birne voll, während er dachte, ich komme vorbei und trete auf. Ich fand die Vorstellung jedoch charmant und entdeckte so unsere „alte“ Musik wieder, die ich 20 Jahre oder mehr nicht gehört hatte.
 
Aus dem erfolgreichen Auftritt bei „Pioneers of Hip Hop“ entstand dann die Gelegenheit, die Ultramagnetic MCs im März 2024 nach Düsseldorf ins Tor 3 zu holen und mit den Blitz Mob Allstars die Show zu eröffnen. Ein legendärer Abend.

>Wer vor Ort war konnte Zeuge einer unfassbar energiegeladenen und unterhaltsamen Show werden. Einmalige Ausnahme oder Vorbote für mehr?

Hoffentlich ist das nur der Anfang! Alle, die gekommen sind, um den Blitz Mob zu sehen, waren begeistert und wurden durch unseren Auftritt hoffentlich positiv überrascht. Einige Monate später haben wir am
„Old School Hip Hop Camp“ von Veit und Tom teilgenommen, was ebenfalls richtig Spaß gemacht hat.
Wir haben Lust auf mehr Musik, neue Projekte und die Zusammenarbeit mit anderen alten Künstlern, um
ein starkes Fundament zu schaffen. Wenn es passt, können wir problemlos viele andere Bands nach Düsseldorf holen, um zusammen eine Show im Tor 3 zu veranstalten. Es muss nicht immer der Blitz Mob sein; auch andere deutsche Pioniere sind jederzeit willkommen.
 
Die Planung und Organisation würde dann unter dem Begriff „Spaß“ laufen, denn eine angemessene Entlohnung wird es ohnehin nicht geben. Wenn ich mir Detlef (Rick Ski) anschaue, der monatelang für sein Event plant, Absprachen mit Künstlern trifft, die Befindlichkeiten abstimmt, mit dem Luxor spricht, Catering organisiert und dennoch ständig mit finanziellen Engpässen kämpft, weiß ich, wie herausfordernd das ist. Der Vorverkauf läuft nicht wie geplant, und wenn dann noch Jimi mit den Grafiken zu langsam ist und die Flyer fehlen...

> An mir liegt es definitiv nicht (lacht)...

Du verstehst, was ich meine: Der ganze Stress steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Und wirklich Spaß macht so ein Event als Organisator auch nicht, denn es ist pure Belastung. Klar, du unterstützt ihn mit den Grafiken, ich gebe Tipps zur Organisation, aber irgendwann gibt es unweigerlich ein Nadelöhr. Je näher der Termin rückt, desto enger wird es. Am Ende passt nur noch ein Faden durch. Wenn du dann alles alleine machst und nicht gut vorbereitet bist, wird es richtig schwierig. Deshalb gebührt Detlef (Rick Ski) und allen anderen, die solche Veranstaltungen auf die Beine stellen, großer Respekt.

"Ich habe mich
so stark mit den Elementen der Kultur identifiziert, dass
ich mich direkt angezogen fühlte"

> Da wir gerade viel über das selber machen sprechen. Welches Ereignis machte Dich
vom Konsumenten zum Produzenten? Also von passiv zu aktiv?

Das liegt einfach in meiner Natur. Als ich BMX sah, wusste ich sofort, dass ich BMX fahren musste. Als ich Breakdance sah, war mir klar, dass ich tanzen wollte. Als ich Graffiti entdeckte, wusste ich, dass ich sprühen wollte. Und als ich Hip Hop erlebte, war mir klar, dass ich rappen musste. Ich habe mich so stark mit den Elementen der Kultur identifiziert, dass ich mich direkt angezogen fühlte.
 
Auch wenn ich realistisch genug war, um zu erkennen, dass ich im Graffiti vielleicht nicht besonders
talentiert war – um genau zu sein, „talentfrei“ –, spürte ich dennoch eine tiefe Leidenschaft und erkannte, wie großartig dieses Medium ist. So wurde ich beim Graffiti zunächst zum Konsumenten und später
zum Produzenten, um mich dann wieder als Konsument zurückzuziehen.
 
Beim Rappen war es anders: Ich war zunächst allein für mich, rappte und schrieb Texte zu Hause, ähnlich
wie es heute viele Kids machen. Haluk (Tuareg von STF) bemerkte das und machte mich darauf aufmerksam, dass CUS noch einen Rapper suchte. Also ging ich dorthin, rappte ihnen etwas vor, und sie meinten:
„Finden wir gut“ – möglicherweise auch aus Mangel an Alternativen (lacht). Von da an bin ich fast jeden Abend nach Köln gefahren, um im X-Sample Studio von Fabio Angeli im Keller zusammen mit den anderen zu arbeiten. Das war der Moment, in dem ich vom Konsumenten zum Aktiven wurde.

> Kannst Du Dich an Deine ersten Zeilen/Beats erinnern?

Bevor ich eigene Texte geschrieben habe, habe ich zunächst nur die Songs mitgerappt, die bereits auf Platten vorhanden waren – wie die von Hijack, London Rhyme Syndicate oder Public Enemy. Daraus habe ich mir dann einen eigenen Text zusammengeschustert. Alles war noch auf Englisch, da Deutsch zu dem Zeitpunkt überhaupt keine Option war. Diesen Text habe ich dann Daniel und Volkmar vorgerappt.

> Du hast gerade beschrieben, was Du alles der Kultur gegeben hast. Was hat die Kultur
Dir gegeben?

Mein Leben! Ganz schlicht und ergreifend. Punkt. Die gesamte Kultur läuft ja heute unter „Urban Culture“. Das war früher genauso. Graffiti, Rap, Breakdance, BMX – das ist alles ein Teil der urbanen Kultur. Von diesem Zeitpunkt an, dem ersten Kontakt mit der Kultur, trage ich Vans, trage Adidas, Kappen. Das ist auch das, was ich heute noch bin. Ich gehe nicht zum Fußball, ich gucke mir einen BMX-Contest an. Ich gehe nicht in die Oper, ich gehe auf ein MC René-Konzert. Von daher hat mir die Hip Hop-Kultur mein ganzes Leben gegeben.
Ein wichtiger Wert ist vielleicht noch Durchhaltevermögen. Dinge, die man angefangen hat, auch zu Ende zu bringen. Am Ende des Tages ist die Kultur, auch wenn es ein Gemeinschaftsding ist, eine Solo-Nummer.
Ich fahre alleine BMX, ich breake alleine, ich stehe alleine am Plattenspieler und rappe alleine, ich stehe auch alleine vor dem Sampler und mache alleine die Beats. Erstmal ist es ein Kampf mit dem inneren Schweinehund. Wenn man also, wie ich, aus der ersten Generation kommt, in der man anstatt abzukupfern, selbst etwas erschaffen musste, dann ist dieses Durchhaltevermögen bzw. dieser Kampfgeist etwas, was heute nicht mehr in dieser Form vorhanden ist. Wir mussten uns die Dinge erarbeiten.
 
Ein Beispiel: Die neue Public Enemy-Platte kostete damals 20 DM, ich bekam aber nur 5 DM Taschengeld pro Woche. Also musste ich mich jede Woche zusammenreißen und die gesamte Kohle sparen, bis ich nach einem Monat das Geld zusammen hatte. Dann musste ich noch schwarz in die Stadt fahren, weil ich kein Geld für den Fahrschein hatte, und konnte stolz meine 20 DM auf den Tisch legen, um die Platte zu kaufen. Du kannst dir sicher sein, dass ich jedes Wort und jede Kleinigkeit auf dem Cover förmlich inhaliert habe und die Platte sogar heute noch bei mir im Plattenschrank steht. Die Kids von heute haben das nicht – weil sie einen ganz anderen Zugang zu den Dingen haben und alles in Massen verfügbar ist.
 
Versteh mich nicht falsch, eine Playlist bei iTunes oder Spotify finde ich gut. Jetzt gerade hat LL Cool J eine neue Platte gemacht – die lade ich mir dann runter. Aber ich nehme mir die Zeit und warte auf den richtigen Moment, um sie mir in voller Länge ganz bewusst anzuhören. Und dann picke ich mir die für mich besten Songs raus und packe sie auf eine Playlist. Die Art und Weise, Musik zu konsumieren, ist wie früher – heute mache ich es mir nur einfacher. Den Aufwand, den wir uns früher mit Kassetten gemacht haben, betreiben wir heute mit Playlists.

> Hand aufs Herz – Hat Dein Werk die Anerkennung bekommen, die es verdient?

Nein, das hat es nicht. In der damaligen Zeit schon, aber die Szene und unsere Reichweite waren einfach zu klein. Auch das spätere Interesse blieb aus, was vor allem daran lag, dass unsere Werke nicht auf Plattformen wie Spotify oder iTunes verfügbar sind.
Als wir beispielsweise beim Old School Hip Hop Camp bei Veit auftraten und ins Publikum fragten, wer das Blitz Mob-Album kennt, waren es gefühlt nur drei Leute.

> Nur drei Leute?

Wir haben ähnlich wie du jetzt reagiert. Allerdings muss man auch bedenken, dass das Hip Hop Camp hauptsächlich von Menschen aus den neuen Bundesländern besucht wurde – Künstler, die zur Zeit der ehemaligen DDR Breakdancer, Sprüher oder Musiker waren. Die Leute hatten natürlich keinen Zugang
zu unseren Arbeiten und waren in ihrer eigenen Szene verwurzelt.
 
Trotzdem hätte unser Engagement und der von uns produzierte Output durchaus mehr Anerkennung
finden können – nicht müssen, aber können. Ich bereue das nicht, auch wenn es schön gewesen wäre,
ein bisschen bekannter zu sein. Ich kenne viele, die bekannter sind und für ihren Beitrag zur Hip Hop-Kultur gewürdigt werden. Da stehe ich manchmal daneben und frage mich, warum man mich nicht anspricht, obwohl ich ebenfalls einen wichtigen Beitrag geleistet habe. Trotzdem ist alles gut, und ich bin zufrieden. Man muss nicht kommerziell erfolgreich sein, um im Leben erfolgreich zu sein.

> Also fliegst du doch nicht ganz unter dem Radar

Schau mal, Whzky Frngs hat ja mit Umse letztes Jahr diese geile 7“ mit dem Titel „Dabei bleiben“ veröffentlicht, auf der sie thematisch genau das aufgreifen. Als ich mich mit Stefan Frings in Köln unterhalten habe, erzählte er mir: „Als ihr damals ‚Düsseldorf lebt‘ rausgebracht habt, bin ich als 14-Jähriger mit dem Zug von Köln nach Düsseldorf gefahren, um euch im zakk performen zu sehen.“ – Dieses Erlebnis war also seine Initialzündung! Da habe ich dann natürlich meinen „Wow“-Effekt und bin stolz, dass er aufgrund solcher Ereignisse so einen Lebensweg eingeschlagen und verdammt gute Musik gemacht hat.
 
Wenn überhaupt, ärgert mich nicht die fehlende Anerkennung, sondern die Tatsache, dass heutzutage
Leute Anerkennung kriegen, die sie in diesem Ausmaß nicht verdienen. Es freut mich, dass letztes Jahr mit „50 Jahre Hip Hop“ wieder ein Umdenken eingesetzt hat – guck dir nur mal an, wer jetzt gerade auf Tour
geht oder ein neues Album veröffentlicht. Es gibt definitiv eine Zielgruppe für Old School.

"Wenn überhaupt ärgert mich nicht die fehlende Anerkennung sondern die Tatsache, dass heutzutage Leute Anerkennung kriegen, die sie in diesem Ausmass nicht verdienen" 

> Du hast bisher viel über BMX gesprochen und betreibst es heute immer noch.
Welche Parallelen siehst Du von hip hop und BMX?

Da gibt es nur Parallelen – der gleiche Lifestyle, du bist auf dich selbst gestellt. Allerdings bist du – trotz der Bekanntheit des Sports – heute immer noch ein Outlaw. Trotzdem war BMX für mich immer unzertrennbar mit Hip Hop verknüpft. BMX und Hip Hop war für mich immer eins – als Teil der urbanen Kultur.

> Bist Du über BMX zu Hip Hop gekommen oder umgekehrt?

Ich bin zuerst BMX gefahren und hatte zunächst auch nichts mit Hip Hop zu tun. BMX begann so früh,
dass es noch keine Contests oder Treffen gab. Man hat das damals für sich alleine entdeckt. Das war in etwa so wie beim Hip Hop – man hat dann Leute getroffen, die auch BMX gefahren sind, und hat mit ihnen abgehangen. Dass sich aber eine Szene entwickelt hat, kam erst später.

> Siehst Du BMX eher als Sport oder auch ein Teil der Kultur?

BMX ist sowohl Sport als auch Teil der Kultur. Allerdings ist es für mich unerträglich, BMX bei den Olympischen Spielen zu sehen, genauso wie Breakdance. Bei solchen Veranstaltungen wird der Sport zur Schachfigur von globalen Vereinigungen und Institutionen, die mit dem Sport machen, was sie wollen.

Ich finde es auch schwierig, Sportarten im olympischen Rahmen durchzuführen, bei denen es für die Zuschauer nicht eindeutig erkennbar ist, wer am Ende gewonnen hat. Beim 100-Meter-Lauf hat der gewonnen, der als erster die Linie überquert. Was will ein Zuschauer mit Breakdance? Der versteht nicht einmal, welche Moves da vorgeführt werden. Für die Sportler, die damit Geld verdienen und eine Medaille gewinnen, finde ich das okay. Allerdings würde ich mich mehr freuen, wenn es einen BMX- oder Breakdance-Contest abseits dieser Plattformen gibt, bei dem genauso viel Budget ausgeschüttet wird. Das wird aber leider nicht passieren.

"Mir wurde nichts geschenkt. "

> Was macht Dir mehr Bock – Studio oder Bühne?

Bühne! Auch wenn ich Musik und BMX fahren strikt voneinander trenne: Bei der Musik genieße ich es definitiv, auf der Bühne zu stehen, Auftritte zu haben und mit dem Publikum zu interagieren. Im Gegensatz dazu bevorzuge ich beim BMX fahren die Abgeschiedenheit, am liebsten mit ein paar Kumpels und ohne
die Öffentlichkeit. Da kann ich fahren und Tricks machen, wie es mir gefällt, ohne den Druck, eine Show für andere machen zu müssen.

> Wenn Du gewusst hättest, was eines Tages aus Hip Hop wird – würdest Du trotzdem gerne ein Teil davon sein oder hättest Du es vermieden?

Ganz im Gegenteil, wenn ich das alles gewusst hätte, wäre ich noch länger dabei geblieben (lacht) und hätte Anfang der 2000er am liebsten einmal richtig abgesahnt!

> Sammelst Du (Deine) Hip Hop Geschichte? Backstage Pässe? Flyer?

Ich freue mich jetzt über alles, was ich noch besitze. Damals dachte man nicht darüber nach, Dinge aufzubewahren. Vor zehn Jahren habe ich von einer Freundin, die viel mit uns unterwegs war, ein Album geschenkt bekommen. Darin sind unter anderem alte Eintrittskarten von CUS mit Tim Dog, Flyer und andere Erinnerungsstücke enthalten. Leider habe ich aus meiner frühen BMX-Phase auch kaum etwas behalten. Shit happens

> Welchen Albumtitel hätte Dein Lebenslauf?

„Die Organisation“. Weil ich ein sehr organisierter Mensch bin und alles, was mich erfolgreich gemacht hat, mit Organisation zu tun hat – sei es meine Agentur oder das Label.

Dicht gefolgt eigentlich vom Albumtitel „Auf die harte Tour“ – das beschreibt nochmal besser den Weg, den ich gegangen bin. Mir wurde nichts geschenkt.

> Umso grossartiger zu hören, dass Du rückblickend sagst, dass Du nichts anders machen würdest und nichts bereust

Bis auf eine Sache: Nach zwei Jahren im Hip Hop-Business würde ich einen Song mit dem Titel „Die Da“ schreiben (lacht). Oder vielleicht auch „Nordisch by Nature“… obwohl, das war ja nicht ganz so erfolgreich. Trotzdem mag ich die Stimmung in dem Song.

> Wen würdest Du gerne im nächsten Lineup von „Pioneers Of Hip Hop“ auf der bühne sehen?

Dann würde ich gerne Advanced Chemistry in voller Besetzung sehen. Dazu dann noch Public Enemy. 

> Ob rick ski das hinbekommt?

Warum nicht – im Grunde ist das nur ein Line-up aus drei Bands: Advanced Chemistry, Public Enemy und D-Tex-Law (lacht, diesmal richtig laut!). Und dann ist auch gut.
> interview/fotos: jimi

© Copyright Rick Ski 2024. Alle Rechte vorbehalten.

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